Kies- und Lehmgruben
Durch die Regulierung vieler Fliessgewässer sind Rohböden, Kiesbänke, Schotter- und Geröllflächen selten geworden. In Abbaugebieten wie Kies- oder Lehmgruben entstehen vergleichbare Habitate als Nebenprodukt des maschinellen Abbaus. Sie sind für viele Amphibienarten zu wichtigen Ersatzlebensräumen geworden. Das Bewusstsein, dass Gruben einen hohen ökologischen Wert haben, hat sich heute weitgehend durchgesetzt. Vor allem in extensiv betriebenen Gruben herrschen ideale Bedingungen für Amphibien
Lebensraum für ein breites Artenspektrum
Kies- und Lehmgruben weisen ein hervorragendes Mikroklima auf: Als Senken sind sie windgeschützt, und die Temperaturen sind überdurchschnittlich hoch. An den Hängen bilden sich oft kleine Rinnsale, welche zum tiefsten Punkt der Grube ziehen, Feuchtzonen bilden und kleine Stehgewässer speisen. Durch den Einsatz schwerer Maschinen kommt es zu verdichteten Böden und Spurrinnen, wo wertvolle Kleingewässer entstehen, von denen vor allem die Gelbbauchunke und die Kreuzkröte profitieren. In den kahlen Sedimentationsbecken, die zum Waschen von Kies gebraucht werden, leben die Kaulquappen der Geburtshelferkröte.
Werden grössere Grubengewässer längere Zeit nicht ausgeräumt, machen sich rasch Wasserpflanzen und Röhricht breit, und weitere Amphibienarten gesellen sich hinzu: Grasfrosch, Erdkröte, Wasserfrosch, Bergmolch und Fadenmolch, aber auch der Kammmolch und der Laubfrosch können in reiferen Grubengewässern vorkommen.
In Gruben sind nicht nur die Gewässer attraktiv, sondern auch die spärlich bewachsenen Schotter- und Geröllflächen. Die Rohböden trocknen an ihrer Oberfläche rasch ab, so dass auch trockenere Bereiche zur Verfügung stehen. Sie dienen als Landlebensräume, die reichlich Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten bereitstellen. Die Geburtshelferkröte hört man nicht selten aus den selbstgegrabenen Höhlen in den Böschungen rufen.
Intensivierung des Abbaus
Leider hat sich der Abbau von Kies, Sand und Lehm in den letzten Jahrzehnten stark intensiviert. Insbesondere die Auflage, dass offene Grubenbereiche möglichst schnell wieder rekultiviert werden müssen, limitiert die Menge an verfügbaren Lebensräumen. Zudem wird zugunsten von platzsparenden Schlammpressen immer mehr auf Sedimentationsweiher verzichtet.
Deshalb genügt der normal laufende Abbaubetrieb oft nicht mehr, um ausreichend Lebensräume für die seltenen Pionieramphibien zur Verfügung zu stellen. Hier hilft eine Ökologische Abbaubegleitung durch Ökobüros, die in der Abbaubewilligung geforderten Massnahmen zugunsten der Amphibien und anderen seltenen Arten umzusetzen. Sie definieren mit den Grubenbetreibern, welche wichtigen Standorte für die Amphibien geschont werden sollen, und wann und wo neue Ersatzlebensräume zur Verfügung zu schaffen sind, bevor die bestehenden Lebensräume verfüllt werden können.
Grosse Populationen seltener Pionieramphibien
Trotz dieser Intensivierung existieren viele der verbleibenden grossen Populationen der seltenen Pionierarten wie Kreuzkröte, Geburtshelferkröte und Gelbbauchunke noch in aktiven Abbaugebieten mit einem reichlichen Angebot an Laichgewässern. Wird der Abbau eingestellt, ist es oftmals möglich, die entstandenen Lebensräume für eine gewisse Zeit weiter als Pionierstandort zu pflegen. Doch weil die Abbaumaschinen nicht mehr vor Ort verfügbar sind, ist die periodische Anlegung von neuen offenen Flächen und Gewässern bedeutend aufwendiger und teurer. Ohne regelmässige Pflege verbuschen solche Gruben schnell und die gefährdeten Pionierarten werden durch weniger spezialisierten Arten abgelöst.
Im Inventar der Amphibienlaichgebiete nationaler Bedeutung (IANB) haben die Abbaustellen eine besondere Bedeutung: Sie werden als sogenannte «Wanderobjekte» definiert. Dort ist nicht ein spezifisches Gewässer unter Schutz gestellt, sondern die Lebensräume wandern mit dem Abbau mit und werden immer neu erstellt.