Es tropft vom Himmel – das Rätsel um den Sternenrotz
Es ist ein unappetitlicher Anblick. Manche haben das Gebilde als gefrorenen Schleimmeteoriten bezeichnet, andere als Exkrement von Sternen, als prästellare Molekülwolke oder als vom Boden ausgestossene Fettsubstanz. Auch Verschwörungstheoretiker fanden schon verschiedene gute Erklärungen dafür. Es geht um das Phänomen des Sternenrotzes.
Jeden Frühling gehen bei info fauna Meldungen erstaunter Bürger*innen ein, die beim Spazieren auf ein gallertartiges Gebilde getroffen sind, das sie keiner Herkunft zuordnen können. Es sind kleine oder grössere schleimige Haufen, teils weisslich oder gelblich, oft transparent. Manche dieser Schleimklumpen liegen im offenen Gelände am Boden, manche kleben an Zweigen von Bäumen. Häufig werden sie während Regenschauern oder kurz danach entdeckt.
Über die Herkunft der geheimnisvollen Substanz wird seit Jahrhunderten überall auf der Welt gerätselt, wobei der himmlische Ursprung lange Zeit als beste Lösung galt. Heute weiss man ein wenig mehr. Vor allem dies: Dass es sich nicht bei jedem gefundenen Sternenrotz um dieselbe Herkunft handelt.
Ein paar Erklärungsversuche
Froschlaich
äufig handelt es sich bei Sternenrotz um Gallertstücke von Froschlaich, der von Reihern, Krähen oder Greifvögeln verschmäht oder schlecht verdaut wird.
Eine Möglichkeit ist, dass die Vögel den Laich fressen; die Eier werden während des Verdauungsvorgangs zerstört, nur die Gallerte bleibt zurück und wird von den Vögeln wieder ausgewürgt. Noch makabrer: Manchmal picken Vögel die Bauchhöhle eines Frosch- oder Krötenweibchens auf, das noch nicht abgelaicht hat; zu diesem Zeitpunkt sind Eier und Gallerte noch getrennt. Die Gallerte tritt deshalb ohne Eier aus der Bauchhöhle und quillt in der feuchten Umgebung auf. Manchmal liegen die schwarzen Eier direkt neben dem schleimigen Häuflein. Auch Teile von Eileitern oder Eierstöcken von Amphibien werden so zuweilen freigelegt.
(Schleim-)Pilze und Cyanobakterien
In anderen Fällen dürfte Sternenrotz – englisch «star jelly» - auf Schleimpilze zurückzuführen sein. Die Echten Schleimpilze sind seltsame Wesen, die aus einer einzigen vielkernigen Riesenzelle bestehen und rasch wachsen, bis sie zur Vermehrung ihre Sporen abgeben. Während ihres Lebenszyklus durchlaufen sie mehrere Stadien, die äusserlich komplett unterschiedlich aussehen. Während der Wachstumsphase sind sie ein schleimiges Gebilde, das in der Suche nach Nahrung amoebenartig herumkriecht. Sobald sie sich vermehren möchten, trocknen sie aus und metamorphisieren zu pilzähnlichen Strukturen. Viele Schleimpilze gedeihen auf feuchter Rinde, was Funde von Sternenrotz an Bäumen erklären könnte.
Wohl ebenso häufig für Sternenrotz gehalten werden Echte Pilze der Gattung Drüslinge (Exidia sp.), die besonders im Winter auftreten.
Und in manchen Fällen ist die wabbelige Substanz das Produkt einer Gattung von Cyanobakterien, Nostoc genannt. Die Bakterien ziehen ein Netz von Fäden über den Boden, die nach Kontakt mit Regen zu einer gallertartigen Masse aufquellen. Naturforscher beschrieben das Phänomen bereits im 16. Jahrhundert und nannten die nach dem Regen erscheinenden Klumpen «Sterngeschütz».
Fazit: Sternenrotz ist nicht gleich Sternenrotz. Die Schleimgebilde unterscheiden sich in Farbe, Struktur und je nach Auffindungsort und sind entsprechend unterschiedlichen Ursprungs. Nicht unerwähnt bleiben soll der Schleimpilz Enteridium lycoperdon, der ebenfalls in die Kategorie Sternenrotz fällt. Er wird von der Bevölkerung im mexikanischen Bundesstaat Veracruz poetisch «caca de luna» genannt.