Steckbrief
Gefährdungsgrad: Europäischer Laubfrosch: verletzlich (VU), Italienischer Laubfrosch: stark gefährdet (EN)
Nationale Priorität: mittel (3)
Merkmale:
- Gestalt zierlich und rundlich wirkend
- Gliedmassen feingliedrig
- Schnauze stumpf
- Zehen mit Haftscheiben
- Körperoberseite grün (selten grau oder braun)
- Unterseite unifarben, hell
- Charakteristische Seitenlinie vom Nasenloch bis Hüfte, Schlinge auf Hüfthöhe
- Schallblase gross und kehlständig
- Kehle: bei Männchen bräunlich oder gelblich; bei Weibchen weiss
- Europäischer Laubfrosch: Trommelfell mehr als 0.5mm vom Auge entfernt
- Italienischer Laubfrosch: Trommelfell nahe am Auge
Verwechslungsarten: untereinander verwechselbar, jedoch geographisch getrennte Verbreitungsareale
Beschreibung
In der Schweiz leben zwei Laubfroscharten, der Europäische Laubfrosch (Hyla arborea) nördlich der Alpen und der erst seit wenigen Jahren als eigene Art erkannte Italienische Laubfrosch (Hyla intermedia perrini) im Tessin. Nach bisheriger Kenntnis unterscheiden sich beide Arten nur minim. Sie werden hier gemeinsam behandelt.
Der Laubfrosch ist ein Frosch mit grossem Schauwert. Seine Oberseite ist leuchtend grün gefärbt und glatt. Ein schmaler schwarzer Streifen entlang der Körperseite trennt die Oberseite vom weisslichen Bauch. Das Männchen hat eine kehlständige Schallblase, die beim Rufen zur Schallverstärkung auf Körpergrösse aufgeblasen wird. Im Ruhezustand bildet sie ein bräunliches, faltiges «Doppelkinn». Das Weibchen hat keine Schallblase: Seine Kehle ist glatt und hell. Der Laubfrosch ist mit seiner Körperlänge von ca. 4 cm die kleinste einheimische Froschart.
Ökologie
Der Laubfrosch ist ein ungewöhnlicher Frosch. Seine Finger- und Zehenspitzen sind zu scheibenförmigen Haftballen geformt. Ein klebstoffartiges Sekret wird bei Anspannung der Muskeln abgesondert und unterstützt das Haften. Die Tiere können deshalb hervorragend klettern und leben meist auf Hochstauden, Sträuchern und Bäumen. Dort sind sie gut getarnt und haben mit ihren hervorstehenden Augen einen weiten Rundblick.
Tagsüber dösen sie an Blätter und Äste geschmiegt. Oft setzen sie sich direkt ins Sonnenlicht, da sie im Gegensatz zu anderen Lurcharten dank einem speziellen Hautsekret und ihrer Körperhaltung nur wenig Wasser verlieren. Nachts begeben sie sich auf Jagd nach Insekten, Spinnen oder Schnecken.
Die Männchen finden sich zur Laichzeit (April bis Anfang Juli) zu nächtlichen Rufchören an Gewässern ein. Grosse Bestände sind dank der lauten Rufe aus mehr als 1 km Entfernung zu hören. Mit ihrem meckernden «Äp-äp-äp-äp» locken sie die Weibchen an, die nur für eine einzige Nacht ans Laichgewässer kommen. Zur Paarung umklammert das Männchen das Weibchen von oben in der Achselgegend. Dieses klebt insgesamt 500–1'000 Eier an Wasserpflanzen, verteilt auf mehrere Eipakete, die vom Männchen fortlaufend besamt werden.
Bereits nach 4–8 Tagen schlüpfen die Kaulquappen. Von oben betrachtet fallen die weit auseinanderstehenden Augen der Larven auf. Dank des breiten Flossensaums sind sie schnelle Schwimmerinnen. Sie halten sich oft im offenen Wasser auf, wo sie aber leicht zur Beute von Fischen oder Wasserinsekten werden.
Ihre Entwicklung ist von der Wassertemperatur abhängig. Bei Idealtemperaturen von 25–28 °C wandeln sich die kiemenatmenden Kaulquappen in 40–60 Tagen zu landlebenden und lungenatmenden Jungfröschen um. Die meisten Laubfrösche sind erst nach zwei Jahren geschlechtsreif.
Verbreitung
Weltweit sind etwa 400 Laubfroscharten bekannt, von denen die meisten in den tropischen Regenwäldern leben. Hyla arborea ist der einzige Vertreter in Mitteleuropa. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Griechenland bis Südschweden und von Portugal bis ans Kaspische Meer. Hyla intermedia besiedelt praktisch ganz Italien.
In der Schweiz ist der Laubfrosch wie in ganz Mitteleuropa stark gefährdet. Als typische Art des Tieflands, die kaum in Höhen über 700 m ü. M. vorstösst, ist sein Verbreitungsareal in der Schweiz auf das Mittelland und die Ajoie beschränkt. In den letzten 30 Jahren sind in der Schweiz viele Laubfroschstandorte verschwunden. Das Verbreitungsgebiet ist erheblich geschrumpft.
Die besten Aussichten auf ein längerfristiges Überleben hat der Laubfrosch in grossen, gewässerreichen Flusstälern und Flachmoorgebieten, namentlich in der Region der L’Aubonne, in der Ajoie,im Zürcher Unterland und Thurgau, Schaffhausen und im unteren St. Galler Rheintal. Im unteren Aargauer Reusstal und im Saanetal ist die Art dank Hilfsprogrammen wieder gut verbreitet. Trotz gezielten Aufwertungsmassnahmen konnten bis jetzt der Rückgang am Südufer des Neuenburgersees und im Berner Seeland nicht aufgehalten werden.
Gefährdung und Schutz
Für den Rückgang des Laubfroschbestandes sind verschiedene, komplex verknüpfte Faktoren verantwortlich. Populationen können innert kurzer Zeit erlöschen, wenn die schon natürlicherweise starken Bestandesschwankungen mit schlechten Bedingungen im Lebensraum einhergehen.
Der wichtigste Grund ist der Ausfall von geeigneten Fortpflanzungsgewässern. Betroffene Populationen können nur weiterbestehen, wenn ein Netz von Laichgewässern vorhanden ist, da die Fortpflanzung jeweils nur in ein paar wenigen Gewässern erfolgreich ist. Der Individuenaustausch zwischen benachbarten Laichgewässern und die Besiedlung neuer Gewässer ist aber heute durch Strassen, Siedlungen und ausgeräumte landwirtschaftliche Nutzflächen stark erschwert. Grosse Entfernungen zwischen den Populationen führen längerfristig zu deren Isolation und damit zu erhöhter Gefährdung.
Laubfroschpopulationen brechen oft ohne die physische Zerstörung ihrer Laichgewässer zusammen. Vielerorts verschlechtern sich die Bedingungen in den Gewässern durch Veränderungen der Wasserqualität oder -temperatur, Grundwasserabsenkung oder künstlichen Fischbesatz. So können mehrere aufeinanderfolgende trockene Jahre das Laichgewässerangebot drastisch verkleinern.
Daneben kann aber auch die natürliche Sukzession, welche Beschattung, Verlandung und reiche Bestände an Fressfeinden mit sich bringen kann, zu ungünstigen Veränderungen führen. Neue natürliche Gewässer entstehen in unserer Landschaft dagegen fast nie mehr, da die Flüsse ihre landschaftsgestaltende Kraft durch Verbauung weitgehend verloren haben.
Besonders wichtig ist die konsequente Erhaltung und Stärkung von noch bestehenden lokalen Populationen und deren Laichgebieten, da diese Populationsstützpunkte und Ausgangspunkte für Wiederbesiedlungen bilden. Wichtig ist das Angebot eines möglichst guten Netzes von verschiedenen Laichgebieten, in welchem periodisch neue Gewässer entstehen oder temporäre Gewässer vorhanden sind. Positiv wirkt sich ein hoher Grundwasserspiegel aus.
Populationen kann man auch mit der Schaffung von Überflutungswiesen, Wanderbiotopen und Strukturen wie Hecken, Ufergehölzen, Hochstaudenfluren oder Brachen fördern. Gezielte Artenschutzmassnahmen führten in mehrere Regionen zu einem Anstieg der Population. Insbesondere in Flusstälern ist eine Erhöhung der Anzahl geeigneter Laichgewässer erfolgversprechend.
Lebensraum
Grosse und stabile Vorkommen von Laubfröschen liegen meist in Landschaften mit mehreren günstigen Gewässern sowie ausgedehnten, strukturreichen Landlebensräumen. Typische Laichgewässer liegen in Flussauenlandschaften, Flachmooren, überschwemmten Wiesen sowie Kies- und Lehmgruben. Geeignete Laichgewässer sind flach, sonnenexponiert und haben keinen Zu- oder Abfluss, wodurch sich das Wasser rascher erwärmt.
Der Laubfrosch besiedelt sowohl Gewässer mit Röhricht- und Unterwasservegetation als auch kahle Pioniergewässer. Neu entstandene oder nur temporär überflutete Gewässer eignen sich besonders gut, da nur wenige Wasserinsekten und nur selten Fische auf die Kaulquappen lauern. Da die Bindung des Laubfrosches an ein Gewässer nicht sehr ausgeprägt ist, vermag er neuentstandene Gewässer schnell zu besiedeln.
Die Laubfrösche verbringen ihr Leben weitgehend an Land. Im Sommer suchen sie windgeschützte und sonnige Plätze mit hochwüchsigen Pflanzen auf. Im dichten Blätterwerk der Hochstaudenfluren, Schilf- oder Seggengürtel, Hecken, Ufergehölze und gebüschreichen Waldränder sind die Lurche kaum auszumachen. Ein guter Landlebensraum verfügt zudem über ein breites Nahrungsangebot, ist gut erreichbar und liegt maximal 1 Kilometer vom Laichgewässer entfernt.
Den Winter verbringen die Laubfrösche in einer Kältestarre an einem möglichst frostgeschützten Ort. Sie verkriechen sich unter Moos, Wurzeln, Steine und Gras oder ziehen sich in Erdspalten und Mauslöcher zurück.