Steckbrief
Gefährdungsgrad: Kleiner Wasserfrosch und Teichfrosch: verletzlich (VU)
Nationale Priorität: -
Der Komplex der Wasserfrösche, auch Grünfrösche genannt, umfasst in der Schweiz folgende Froscharten:
- Kleiner Wasserfrosch (Pelophylax lessonae, einheimisch)
- Teichfrosch (Pelophylax esculentus, einheimisch)
- Seefrosch (Pelophylax ridibundus, eingeschleppt)
- Italienischer Wasserfrosch (Pelophylax bergeri, eingeschleppt)
- Balkan-Wasserfrosch (Pelophylax kurtmuelleri, eingeschleppt)
- Türkischer Wasserfrosch (Pelophylax bedriagae, eingeschleppt)
Und alle möglichen Kreuzungen (Hybriden).
Merkmale:
- kräftig grün gefärbte Frösche mit dunklem bis schwarzem Fleckenmuster. Es gibt auch komplett grün und komplett braun gefärbte Individuen.
- Augen leicht nach oben gerichtet
- Schnauze spitz
- kräftige Arme und Beine
- gut ausgebildete Schwimmhäute an Hinterfüssen
- Trommelfell nicht dunkel umgeben
- Haut glatt
- Männchen: paarige Schallblasen, Brunstschwielen an den Daumen
Wegen den verschiedenen eingeschleppten Wasserfroscharten ist eine eindeutige visuelle Bestimmung nicht mehr möglich.
Verwechslungsarten:
Grasfrosch
Springfrosch
Italienischer Springfrosch
Wie soll ich eine Wasserfrosch-Beobachtung melden?
Die visuelle Unterscheidung der Arten ist nicht mehr möglich. Wir danken Ihnen, Ihre Beobachtungen als "Pelophylax Sp., Wasserfroschkomplex" zu melden.
Experten können folgende Gruppen anhand der Rufe differenzieren:
- die Teichfroschgruppe (P. lessonae, P. esculentus, P. bergeri)
- und die Seefroschgruppe (P. ridibundus, P. kurtmuelleri, P. bedriagae)
Experten können die Gruppen anhand des Rufes getrennt melden, sofern dies in der Meldung vermerkt wird. (Die einzelnen Arten bleiben in den Meldetools sichtbar, damit sie für genetische Studien verwendet werden können).
Beschreibung
Die Wasserfrösche gehören wohl zu den auffälligsten und bestbekannten Amphibien. Sie sind verantwortlich für die lauten Froschkonzerte, welche im Frühling und Sommer an Weihern und Teichen zu hören sind. Tagsüber sonnen sie sich oft am Gewässerrand, von wo sie sich bei Störung mit einem grossen Sprung ins Wasser retten. Dank kräftig entwickelter Schwimmhäute an den Hinterfüssen sind sie gute Schwimmer.
Die Grundfärbung ist meist grasgrün, seltener gelb- oder blaugrün, manchmal auch braun. Rücken und Flanken sind dunkel gefleckt, an den Schenkeln laufen die Flecken zu Bändern zusammen. Häufig zieht sich ein hellgrüner Streifen über die Rückenmitte.
Die beiden einheimischen Arten haben ein besonderes Fortpflanzungs-System, welches durch die eingeschleppten Arten noch an Komplexität gewinnt.
Ökologie
Den Winter verbringen die meisten Kleinen Wasserfrösche an Land, während zumindest ein Teil der Teichfrösche in Gewässern überwintert.
Von März bis April erfolgt die Rückwanderung ans Laichgewässer, wo die Paarungsaktivität frühestens Ende April beginnt und sich bis in den frühen Juli erstrecken kann. Auf dem Höhepunkt der Paarungszeit im Mai oder Juni finden sich Männchen oft zu Rufgemeinschaften an seichten Stellen des Gewässers zusammen und veranstalten die bekannten Froschkonzerte. Angelockte Weibchen werden angesprungen und hinter den Vorderbeinen umklammert.
Die Eiablage erfolgt in mehreren kleinen Klümpchen, die bevorzugt an Pflanzen im seichten Wasser geheftet werden. Nach nur wenigen Tagen schlüpfen die Kaulquappen, die sich abhängig von Temperatur und Nahrungsangebot nach ca. 5 bis 12 Wochen zu kleinen Fröschchen umwandeln.
Viele der Kaulquappen fallen Fischen, Molchen oder räuberischen Insektenlarven zum Opfer. Den Fröschen stellen Raubtiere wie Fuchs und Marder, Vögel wie Reiher und Störche, aber auch grosse Raubfische und die Ringelnatter nach. Wasserfrösche sind aber nicht nur die Beute vieler Tiere, sondern selbst erfolgreiche Räuber. Ihre Nahrung besteht zum grössten Teil aus Insekten, doch fressen sie auch Schnecken, Würmer und sogar andere Amphibien.
Fortpflanzung und Hybridisierung
Was die Fortpflanzung anbelangt, ist das Verhältnis von kleinem Wasserfrosch, Teichfrosch und Seefrosch eine Besondereit. Nur der Kleine Wasserfrosch und der Seefrosch sind eigenständige Arten, während der Teichfrosch ein Hybrid zwischen dem Seefrosch und dem Kleinen Wasserfrosch ist. Sein Erbgut besteht also je zur Hälfte aus dem seiner beiden Elternarten. Bei der Produktion der Ei- oder Samenzellen jedoch spielt sich ein sehr ungewöhnlicher Vorgang ab, welcher als Hybridogenese bezeichnet wird: Das gesamte Erbgut des Kleinen Wasserfrosches wird zerstört, weshalb Ei- oder Samenzellen des Teichfrosches ausschliesslich das Erbgut des Seefrosches enthalten. Eine Paarung zwischen Kleinem Wasserfrosch und Teichfrosch vereinigt darum Erbgut des Kleinen Wasserfrosches und Erbgut des Seefrosch zu Nachkommen, welche sich wieder zu Teichfröschen entwickeln.
So konnte der Teichfrosch auch schon vor der Anwesenheit des Seefrosches in gemischten Populationen mit dem Kleinen Wasserfrosch existieren. Für die Kleinen Wasserfrösche ist die Paarung mit Teichfröschen jedoch ein schlechtes Geschäft, da die Nachkommen ihren Teil des Erbgutes zerstören, statt ihn an Grosskinder weiterzugeben. Manchmal paaren sich Teichfrösche auch untereinander. Nachkommen aus solchen Paarungen erben von beiden Elternteilen das Seefrosch-Erbgut. Bis vor kurzem starben sie aber meistens schon als kleine Kaulquappen. Der Grund dafür ist, dass das Seefrosch-Erbgut von den Teichfröschen über viele Generationen ohne genetische Durchmischung (klonal) weitergegeben wurde. Dies führte zu einer Anhäufung von Fehlern (Mutationen) im Seefrosch-Erbgut, so dass Tiere mit zwei Kopien des schadhaften Seefrosch-Erbgutes nicht mehr lebensfähig waren.
Unter diesen Voraussetzungen kam es beim Paarungsgeschäft der Wasserfrösche natürlich zu Interessenskonflikten: Teichfrösche mussten sich mit Kleinen Wasserfröschen paaren, da ihre Paarungen untereinander nicht erfolgreich sind. Die Kleinen Wasserfrösche sollten solche Paarungen aber vermeiden, da sie vergebliche Mühe bedeuten. Doch treffen sie nicht immer die richtige Wahl, so dass es stets zu genügend Paarungen sowohl innerhalb der Kleinen Wasserfrösche als auch zwischen Kleinen Wasserfröschen und Teichfröschen kommt, um ein Fortbestehen beider Formen zu ermöglichen.
Neu eingeführte Arten
Im 20. Jahrhundert wurden zahlreiche Seefrösche zum Verzehr von Froschschenkeln eingeführt. Die dabei entwischten Tiere konnten sich schnell in der Schweiz ansiedeln und ausbreiten. Diese Seefrösche brachten neues Seefrosch-Erbgut ohne schädliche Mutationen ins Spiel und durchbrachen so das bisherige Fortpflanzungs-System. Das Seefrosch-Erbgut in den Teichfrosch-Populationen wird durch Paarungen mit eingeschleppten Seefröschen aufgefrischt, was dazu führt dass die Teichfrosch x Teichfrosch-Nachkommen nicht mehr zwingend absterben.
Neue genetische Studien zeigen aber, dass die Situation noch viel komplexer ist als bisher angenommen. Sie konnten aufzeigen, dass in der Schweiz nicht nur der Seefrosch, sondern auch zwei weitere, ihm nahe verwandte Arten (Balkan-Wasserfrosch Pelophylax kurtmuelleri und Türkischer Wasserfrosch Pelophylax bedriagae) aus dem Balkan und der Türkei eingeschleppt wurden. Zudem wurde noch eine vierte eingeschleppte Art, der Italienische Wasserfrosch (Pelophylax bergeri), nachgewiesen. Dieser ist nahe mit dem kleinen Wasserfrosch verwandt, und hat diesen an vielen Standorten in der Schweiz komplett abgelöst.
Im Rahmen dieser Studie wurden die morphologischen Merkmale (Aussehen, Körpermasse) mit den genetischen Informationen der einzelnen Tiere verglichen. Daraus war klar zu erkennen, dass die visuellen Unterscheidungsmerkmale, die früher benutzt wurden, in der neuen komplexeren Situation nicht mehr verlässlich sind. Umso mehr, als sich alle einheimischen und eingeschleppten Arten untereinander kreuzen können und oft auch Tiere mit drei Erbgut-Sets (triploid) vorkommen.
Verbreitung
Die Verbreitungsgebiete der beiden einheimische Arten, des Teich- und des Kleinen Wasserfrosches, sind beinahe identisch und erstrecken sich praktisch über das gesamte gemässigte Europa. In der Schweiz sind die Wasserfrösche typische Bewohner der Tieflagen und steigen nicht über 1000 m. ü. M. Entsprechend findet man sie im gesamten Mittelland, in den Tieflagen der nördlichen Alpentäler, entlang des Juras, im Tessin, im Wallis und um den Genfersee. Die eingeschleppten Arten breiten sich stark aus und sind schon in fast allen Regionen anwesend.
Gefährdung und Schutz
Hauptsächlich zwei Gründe tragen dazu bei, dass die einheimischen Wasserfrösche als gefährdet anzusehen sind: Lebensraumverlust und die Einschleppung des Seefrosches und weiterer Wasserfrosch-Arten. Mit dem Verschwinden von 90% der Feuchtgebiete aus den Tieflagen der Schweiz sind auch viele Wasserfrosch-Populationen erloschen. Noch vorhandener Lebensraum muss daher konsequent geschützt werden.
Vielversprechend ist auch die Neuschaffung geeigneter Gewässer. Wasserfrösche besiedeln neue Lebensräume rasch und können in wenigen Jahren beachtliche Populationen aufbauen.
Weniger einfach ist der Bedrohung durch die eingeschleppten Arten zu begegnen. Sie sind unwillkommene Konkurrenten, zum Teil aber auch Fressfeinde der einheimischen Wasserfrösche. Der genetische Einfluss auf die Wasser- und Teichfroschpopulationen ist schwierig abzuschätzen, die dazu nötigen genetischen Studien aufwändig. Klar scheint, dass ein gezieltes Abfangen der Seefrösche nicht zielführend ist. Sie kommen meist in durchmischten Populationen mit den einheimischen Arten vor, und es ist nur mit genetischen Tests möglich, die Arten zu bestimmen.
Eine Möglichkeit, den kleinen Wasserfrosch gezielt zu fördern, ist die Bereitstellung von besonders auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Lebensräumen, welche für die anderen Wasserfroscharten weniger attraktiv sind und so als Refugien für die einheimischen Wasserfrösche dienen.
Lebensraum
Im Gegensatz zu anderen Froschlurchen der Schweiz, welche das Wasser nur zur Fortpflanzung aufsuchen, sind die Wasserfrösche eng ans Wasser gebunden. Bezüglich der Art ihres Wohngewässers sind sie jedoch nicht besonders wählerisch. Permanente Gewässer aller Art werden besiedelt, bevorzugt vegetationsreiche Weiher und Teiche, Kleinseen und Moorgewässer, aber auch Altwasser und bewachsene Flachufer grosser Seen. Sonnige Standorte werden schattigen vorgezogen.
Der kleine Wasserfrosch ist häufiger in kleineren, vegetationsreichen, eher nährstoffarmen und sauren Gewässern wie Moorweihern, während in grösseren und nährstoffreicheren Gewässern der Teichfrosch dominiert.