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Darf ich Reptilien in den Garten holen oder an einem anderen Ort aussetzen?

Die karch wird oft mit der Frage konfrontiert, wie man Reptilien aktiv in einem Privatgarten  ansiedeln kann, und / oder wo man die für eine Ansiedlung benötigten Tiere herbekommt. Eine solche Vorgehensweise ist aus vielen Gründen nicht sinnvoll, nicht zielführend, und vielen Fällen sogar kontraproduktiv. Dasselbe gilt für die Umsiedlung von Tieren, die oft gut gemeint, aber meist nicht erfolgreich ist. Die info fauna  lehnt derartige Praktiken kategorisch ab!

Welche Gründe sprechen gegen absichtliche An- und Umsiedlungsversuche von Reptilien?

  • Wenn man Tiere aus einer Population entnimmt, kann das dieser Population schaden. Die Entnahme von Reptilien aus der Natur ist verboten, es sei denn, man ist im Besitz einer entsprechenden kantonalen Bewilligung.
     

  • Der neue Lebensraum ist für diese Tiere mit hoher Wahrscheinlichkeit ungeeignet. Wenn Reptilien die Möglichkeit haben, einen Lebensraum zu besiedeln, werden sie dies auf natürliche Weise tun. Wenn eine Art nicht vorkommt, kann es sein, dass ein lebenswichtiges Element nicht oder nicht in ausreichendem Masse vorhanden ist. Beispielsweise kann es an geeigneten Überwinterungsplätzen oder Eiablageplätzen fehlen oder die verfügbare Fläche ist nicht gross genug. Ein schöner, naturnah gestalteter Garten mit Trockenmauern und Holzhaufen reicht nicht zwingend aus, um eine Reptilienpopulation zu beherbergen. Es fällt uns oft sehr schwer, die Qualität eines Lebensraums objektiv zu messen.
     

  • Viele Reptilienarten haben den Instinkt, an den Ort zurückzukehren, an dem sie gefangen wurden (Homing). Die Individuen kennen ihre gewohnte Umgebung sehr gut und wissen, wo sich wichtige Ressourcen befinden (Überwinterungsplätze, Fortpflanzungsstätten, Eiablageplätze, Orte der Trächtigkeit, Nahrung usw.). Wenn diese Individuen von ihrer ursprünglichen Umgebung entfernt werden, werden sie dann versuchen, so schnell wie möglich dorthin zurückzukehren, oder sie werden umherirren und sterben.
     

  • Innerhalb einer Art sind Reptilien genetisch an die ganz bestimmten Bedingungen an bestimmten Orten (Klima, Nahrung usw.) angepasst. Diese sehr lokalen Anpassungen müssen an anderen Orten nicht unbedingt angemessen sein. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einer Hybridisierung mit Individuen der gleichen Art kommen, die jedoch nicht an die örtlichen Bedingungen angepasst sind. So können genetische Besonderheiten, die für das Überleben von Individuen wichtig sind, abgeschwächt werden oder sogar verloren gehen.
     

  • Die Ansiedlung oder Umsiedlung von Reptilien birgt immer das Risiko, dass eine Krankheit eingeschleppt wird, die unvorhersehbare Folgen haben kann. Beispielsweise kommt die durch den Krankheitserreger Ophidiomyces ophiodiicola verursachte Pilzkrankheit in der Schweiz und in Europa nicht gleichmässig vor. Es ist äusserst wichtig, dass diese Keime nicht durch den Menschen verbreitet werden.

Die karch bittet deshalb DRINGEND, von Ansiedlungs- und Umsiedlungsversuchen mit Reptilien abzusehen. Der Schaden und das Risiko, das von solchen Aktionen ausgeht, ist in aller Regel ungleich grösser als deren Nutzen. Auch wenn gut gemeinte und ehrenwerte Absichten dahinterstehen: Aus naturschutzbiologischer Sicht sind solche Aktionen sinnlos oder sogar gefährlich.

Natürliche Besiedlung fördern

Private Gärten oder kleine kommunale Naturschutzgebiete können Mosaiksteine innerhalb eines grösseren Verbundes von Teillebensräumen für bestimmte Arten sein. Wer Reptilien helfen möchte, muss sich die richtigen Fragen stellen: Was sind die potenziellen Arten? Welche Ansprüche haben diese Arten an den Lebensraum? Wie können diese Ansprüche möglichst einfach erfüllt werden? Die zur Verfügung stehenden Flächen werden dann entsprechend gestaltet oder gepflegt. Dabei können Ihnen die Broschüren der karch helfen. Vielleicht kann die Vernetzung dieser Lebensräume verbessert werden, indem man sie z. B. mit einem bereits bestehenden Feuchtgebiet, Bahndamm oder Waldrand verbindet? Dies würde die natürliche Besiedlung dieser aufgewerteten oder neu geschaffenen Lebensräume erleichtern.

Naturnah gestaltete Privatgärten, Gartenteiche oder ähnliche kleine Lebensräume werden von einigen Reptilienarten oft spontan und erstaunlich schnell besiedelt, sofern Qualität und Platz ausreichend vorhanden sind und die Vernetzung einigermassen gewährleistet ist. Wenn wir Individuen an einem bestimmten Ort ansiedeln, den sie auf natürliche Weise nicht erreichen können, schaffen wir eine isolierte Population, die kaum eine Chance hat, langfristig zu überleben. Wenn es nicht zu einer natürlichen Besiedlung gekommen ist, ist der Lebensraum sicherlich nicht für Reptilien geeignet, stellt dann aber einen Rückzugsort für viele andere Tierarten dar. Seien Sie also geduldig und freuen Sie sich auf den Tag, an dem ein paar Eidechsen Ihren Garten besiedeln. Und akzeptieren Sie auch die Tatsache, dass es vielleicht nie dazu kommen wird. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!