Reptilien finden und beobachten - ein paar Tipps und Tricks
Reptilien kommen in der Schweiz nicht flächendeckend vor. Die verschiedenen Arten sind auf bestimmte Regionen beschränkt, und die Tiere leben nur dort, wo sie geeignete Lebensräume finden. Es liegt auf der Hand, dass Beobachtungen vor allem dort möglich sind, wo zahlreiche Arten vorkommen und individuenreiche Populationen vorhanden sind.
Im strukturarmen, intensiv genutzten Schweizer Mittelland sind Reptilien nur noch lokal und oft schwer zu finden. Eine Ausnahme bildet die Mauereidechse (Podarcis muralis), die sich in den vergangenen Jahrzehnten stark ausgebreitet hat, und die heute auch an stark vom Menschen geprägten Standorten teilweise sehr häufig anzutreffen ist, teilweise bis in die Städte hinein. Ansonsten sind es vor allem Naturschutzgebiete, wo man beispielsweise mit der Westlichen Blindschleiche (Anguis fragilis), der Zauneidechse (Lacerta agilis) oder Ringelnattern (Natrix natrix und Natrix helvetica) rechnen darf. Zauneidechsen findet man häufig auch an Böschungen, etwa entlang von Bahnlinien, Strassen, Wegen oder Fliessgewässern. Ebenfalls lohnend kann die Suche nach Reptilien in Kiesgruben oder anderen Abbaugebieten sein, wenn dort naturnahe Flächen vorhanden sind. An strukturreichen Waldrändern, auf Waldlichtungen oder in Feuchtgebieten lohnt sich sicher auch die Suche nach der Waldeidechse (Zootoca vivipara).
Im Gegensatz zum Mittelland bietet vor allem die Südschweiz, namentlich das Wallis, das Tessin und die Bündner Südtäler, eher Möglichkeiten für eine erfreuliche Reptilienexkursion, auf der zahlreiche Arten beobachtet werden können. Hier sind die potenziellen Lebensräume grossflächiger, und die Tiere allgemein präsenter. Auch in den anderen Alpengebieten und im Jura kann man durchaus erfolgreich sein. Man informiert sich am besten vorgängig über die im Exkursionsgebiet vorkommenden Arten, deren Verhaltensweise und ihre Ansprüche an den Lebensraum. Dazu gehört auch, sich ein Bild von der Höhenverbreitung der Arten zu machen.
Das Auge für Reptilienbeobachtungen schulen
Hat man einen geeigneten Reptilienlebensraum gefunden, durchstreift man ihn zu Fuss möglichst langsam und ruhig, mit wachen Augen und offenen Ohren. Oft ist es nicht nötig, Wege und Pfade zu verlassen, denn nicht selten sonnen sich Eidechsen und Schlangen an den angrenzenden Böschungen oder am Fuss einer Stützmauer. Reptilien halten sich gerne in unmittelbarer Nähe ihrer Versteckplätze auf. Besondere Aufmerksamkeit verlangt deshalb die Umgebung von Holz- oder Steinhaufen, von Ruinen oder von Trockenmauern. Auch Altgrassäume, Hecken oder strukturreiche Waldränder sind vielversprechend.
Je nach Art, Individuum und Beobachtungsort variiert die Fluchtdistanz der Tiere beträchtlich, grundsätzlich ist sie aber nicht zu unterschätzen. Am besten bleibt man immer wieder stehen und sucht visuell im Umkreis von einigen Metern die reptilienverdächtigen Strukturen ab. Ein geeignetes Fernglas kann hier nützliche Dienste leisten. Während Gelbgrüne Zornnattern (Hierophis viridiflavus) oder Westliche Smaragdeidechsen (Lacerta bilineata) normalerweise bei der geringsten Störung flüchten, lassen sich Blindschleichen oder – mit etwas Glück! – Schlingnattern (Coronella austriaca) und Äskulapnattern (Zamenis longissimus) recht gut beobachten, weil sie eine geringe Fluchtdistanz haben und im Vertrauen auf ihre Tarnfärbung lange liegen bleiben und Annäherung tolerieren. Viele Reptilienarten gewöhnen sich rasch an harmlose, wiederkehrende Störungen. Tatsächlich findet man entlang von Verkehrswegen nicht selten Eidechsen oder Schlangen, welche sich beispielsweise von den vorbeifahrenden Autos oder Schnellzügen nicht mehr beeindrucken lassen. Ähnliches gilt auch für viel begangene Wanderwege: Hier lassen sich Reptilien manchmal besonders gut beobachten, weil die Tiere gemerkt haben, dass von den vorbeigehenden Menschen kaum Gefahr ausgeht. Die Fluchtdistanz ist merklich kleiner geworden. Mauereidechsen im Stadtgebiet von Bern beispielsweise lassen sich praktisch berühren, ohne die Flucht zu ergreifen.
Beim Durchstreifen von Reptilienlebensräumen wird man nicht selten eine Schlange oder Eidechse aufscheuchen. Man achte also auch auf raschelnde Geräusche, welche von flüchtenden Tieren verursacht werden, und vor allem merke man sich die Stelle, wo das Tier verschwunden ist. Oft verlässt es sein Versteck nach einigen Minuten wieder, um sich erneut einen Sonnenplatz zu suchen. Es lohnt, sich hinzusetzen und zu warten, oder aber die betreffende Stelle nach einiger Zeit nochmals aufzusuchen. Nicht selten hat man beim zweiten Anlauf Erfolg.
Reptilienbeobachtung melden
Bitte melden Sie uns Ihre Beobachtungen. So helfen Sie mit, das Besiedlungsareal der einheimischen Reptilienarten auf aktuellem Stand zu halten (Beobachtung melden). Bei Unsicherheiten in der Artbestimmung helfen wir Ihnen gerne weiter (contact (a) infofauna.ch (E-Mail))
Das beste Reptilienwetter
Landläufig hört man die Meinung, Reptilien seien vor allem dann zu finden, wenn hochsommerliches Wetter herrscht, wenn es also richtig heiss und trocken ist. Das ist grösstenteils falsch! Vor allem die schwieriger zu findenden Arten, allen voran die Schlangen, sucht man bei solchen Verhältnissen meistens vergebens. Reptilien sind dann am besten zu beobachten, wenn sie aufgrund der herrschenden Witterung gezwungen sind, sich zwecks Regulierung ihres Wärmehaushalts lange ausserhalb ihrer Verstecke aufzuhalten und die einfallende Sonnenstrahlung möglichst effizient zu nutzen. Das ist vor allem im Frühjahr der Fall, wenn das Wärmebedürfnis der Tiere hoch, die Tagestemperaturen aber noch bescheiden sind und nachts sogar Fröste auftreten können. An sonnigen Frühlingstagen reichen wenige Wärmegrade über dem Gefrierpunkt aus, um Reptilien aus den Verstecken zu locken. Jetzt sind sie praktisch den ganzen Tag im Freien anzutreffen und lassen sich gut beobachten, zumal auch die Vegetation noch nicht besonders stark entwickelt ist und die Sicht versperrt. Mit dem Einsetzen sommerlicher Wetterverhältnisse verändert sich auch das Verhalten der Reptilien. Vor allem Schlangen sind an heissen, sonnigen Tagen - wenn überhaupt - nur frühmorgens, manchmal auch kurz vor Sonnenuntergang ausserhalb ihrer Versteckplätze anzutreffen. Jetzt sind Schlechtwetterperioden oft erfolgversprechender, um Reptilien zu beobachten. Besonders bewölkte, teils sogar regnerische Tage von Mai bis September sind nicht selten ideal für Schlangenbeobachtungen, weil sich die Tiere aufgrund der nur sehr begrenzt einfallenden Sonnenstrahlung längere Zeit exponieren müssen. Im Hochgebirge findet man Kreuzottern (Vipera berus) beispielsweise sogar im Nebel oder bei Nieselregen, wenn die diffuse Sonnenstrahlung ausreicht, um den Schlangenkörper trotzdem etwas aufzuwärmen. Die Tiere liegen unter solchen Bedingungen oft relativ frei da und sind gut zu sehen. Zudem ist ihre Fluchtdistanz geringer als bei warmem Wetter.
Wenig Aussicht auf Erfolg versprechen windige Wetterlagen. Vor allem die Bise und der Föhnwind - im Norden wie im Süden - veranlassen Reptilien dazu, eher in ihren Verstecken zu bleiben.
Der beste Zeitpunkt für Reptilienbeobachtungen
Interessante Möglichkeiten für Reptilienbeobachtungen bietet im Frühling die Paarungszeit zahlreicher Arten. Vor allem die Männchen sind jetzt derart mit dem Aufspüren von Weibchen oder dem Vertreiben von Nebenbuhlern beschäftigt, dass sie potenziellen Gefahren gegenüber weniger aufmerksam sind. Im trockenen Laub sind die teils heftigen Bewegungen der Tiere bei gleichgeschlechtlichen Auseinandersetzungen zudem gut zu hören. Vielleicht lassen sich jetzt sogar Kommentkämpfe oder Paarungsknäuel bei Schlangen beobachten.
Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) bleibt in der Schweiz auf tiefgelegene Feuchtgebiete beschränkt, und meist handelt es sich bei den beobachteten Tieren um ausgesetzte oder entflohene Einzeltiere. Naturschutzgebiete, welche zum Teil mit Bauten zur Vogelbeobachtung ausgestattet sind, sind aber sicher einen Versuch wert, um Schildkröten zu beobachten, denn die sichtgeschützten Türme oder Unterstände eignen sich auch hervorragend zum Beobachten der äusserst scheuen Sumpfschildkröten. Ein gutes Fernglas ist allerdings unerlässlich. Damit sucht man vorzugsweise sonnige Uferstrukturen ab und legt besonderes Augenmerk auf im Wasser liegende Baumstämme. Man muss sich aber bewusst sein, dass es sich bei den meisten in der Schweiz beobachteten Schildkröten um ausgesetzte nordamerikanische Arten handelt.
Nicht vergessen darf man eines: Zum erfolgreichen Beobachten von Reptilien braucht es auch immer ein kleines Quentchen Glück und eine gehörige Portion Erfahrung!
Ein kurzer Verhaltenskodex für Reptilienfreundinnen und -freunde
Im Gegensatz zu anderen Artengruppen wie Vögel oder gewisse Säuger werden Reptilien und insbesondere Schlangen regelmässig gefangen. Der Fang der Tiere ist in den allermeisten Fällen nicht notwendig, auch nicht für Bestimmungszwecke, und dient ehrlicherweise lediglich der Befriedigung eines persönlichen Kicks oder allenfalls privater Fotowünsche. Der Fang von Reptilien, auch wenn er nur temporär ist und die Tiere vor Ort im Feld verbleiben, ist aber aus verschiedenen Gründen problematisch:
- Der Fang von Reptilien, auch nur vorübergehend, ist ein klarer Verstoss gegen die Bestimmungen des geltenden Natur- und Heimatschutzgesetzes. Wer Reptilien fangen will, aus was für Gründen auch immer, benötigt dazu eine Bewilligung der kantonalen Naturschutzbehörde. Die Bewilligung ist im Falle einer Kontrolle der Wildhut, der Naturschutzaufsicht oder der Polizei vorzuweisen.
- Auch der Fang von Reptilien für Fotozwecke ist nicht erlaubt und mit einer grossen Störung der Tiere verbunden. Machen Sie bitte Fotos in situ und aus der Distanz, ohne die Tiere übermässig zu stören. Fotos von ungestörten Tieren sind ohnehin viel attraktiver als solche von gestressten…
- Vor allem an den in einschlägigen Kreisen sehr bekannten, stark frequentierten Schlangenstandorten ist inzwischen das Störungspotenzial durch die häufigen Besuche von Reptilienfreundinnen und -freunden sehr hoch. Gerade an solchen Standorten ist Zurückhaltung oberstes Gebot, und der Fang von Tieren absolut zu unterlassen. Gleiches gilt insbesondere auch für empfindliche Standorte mit sehr kleinen Populationen, etwa der Aspisviper im Jura!
- Verzichten Sie vollständig auf das Umdrehen von Steinen oder Blöcken! Das Ausgraben von Tieren aus Lesesteinhaufen oder Blockhalden schädigt den Lebensraum und gefährdet die Tiere! Wenn andere potenzielle Versteckplätze wie Wellbleche, Bretter, Blachen oder ähnliche kontrolliert werden, legen Sie sie selbstverständlich vorsichtig zurück in die Originalposition!
- Jedes Behändigen der Tiere beinhaltet potenziell die Übertragung von Pathogenen, beispielsweise der neu in der Schweiz auftretenden, durch den Erreger Ophidiomyces ophiodiicola verursachten Pilzerkrankung, oder anderer Krankheiten oder Parasiten, wie beispielsweise Milben. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Reptilienfreundes, dieses Risiko im Sinne der Tiere minimal zu halten!
- Wer ein kantonale Bewilligung zum Fangen von Tieren hat: Gerätschaften wie Handschuhe, Haken, Zangen, Dosen oder Stoffsäcke, die daheim auch für Terrarientiere verwendet werden, haben in der Natur nichts, aber auch gar nichts verloren! Auch reine Feldgerätschaften sollten regelmässig und korrekt desinfiziert werden.
- Vor allem die Aspisviper, aber auch die anderen Schlangenarten, werden nach wie vor für die Terrarienhaltung gewildert. Es ist deshalb wichtig, Standortinformationen nicht publik zu machen. Das gilt besonders für das Internet, aber auch die Weitergabe oder Publikation von Fotos mit integrierten GPS-Daten!