Biber und Fischvielfalt
Hintergrund
Seit Millionen Jahren kommen Biber und Fische im selben Lebensraum vor. Biberdämme gehörten immer zum Lebensraum der Fische. In einem natürlichen und dynamischen Gewässersystem stellen diese für Fische auch kein Problem dar, wie zahlreiche Studien gezeigt haben. Natürliche Gewässersysteme sind heute besonders im Mittelland aber selten geworden. Die Fische stehen aufgrund einer massiven Einbusse ihrer Lebensraumqualität unter grossem Druck. Begradigte Bachläufe, fehlende Lebensraumstrukturen, Umweltgifte, Wasserentnahmen, Hochwasserschutz, Wasserkraftnutzung und auch der Klimawandel führen bis heute zu einem teils drastischen Rückgang der Fischbestände. Heute gelten 75% der Fisch- oder Krebsarten als ausgestorben oder bedroht (Rote Liste der Fische und Rundmäuler).
Hindern Biberdämme die Fische bei der Wanderung?
Mehr als 100'000 über 50 cm hohe künstliche Durchgangshindernisse beeinträchtigen die Migration der Fische in schweizer Bächen. Biberdämme in begradigten, trapezförmigen, eingeschnittenen Bächen stehen immer wieder im Verdacht, die freie Fischwanderung weiter einzuschränken. Für die kantonalen Behörden, Naturschutzorganisationen und Fischer stellt sich die Frage, wie sich Biberdämme in künstlichen und begradigten Gewässern zusätzlich zu allen bereits vorhandenen negativen Einflüssen auf die einheimischen Fische auswirken. Es ist wenig bekannt, ob Fische Biberdämme auch in künstlichen Gewässern überwinden können und wenn ja unter welchen Voraussetzungen. Barrieren oder auch erschwert passierbare Hindernisse können sich aber negativ auf die für das Laichgeschäft mancher Fische notwendige Fischwanderung auswirken und die Vernetzung von Fischbeständen könnte zusätzlich eingeschränkt oder unterbunden werden.
Wie profitieren Fische von neuen Biberlebensräumen?
Tiefe Kolken, die Biber hinter ihren Dämmen schaffen, bieten einen idealen Rückzugsort für einige Fischarten. Könnten hier hitzegeplagte Fische bei heissen Temperaturen ausharren? Sollte ein Biberteich dazu ausreichend beschattet sein? Ausserdem schaffen Biber durch ihre vielfältige Bautätigkeit wertvolle Strukturen, die eine hohe Produktivität und somit Futter für die Fischfauna aufweisen. Dies sind alles Aspekte der Biberpräsenz im Fischlebensraum, wovon einheimische Fische profitieren können. Die Kenntnisse sind aber noch gering, soweit es die künstlichen Gewässer betrifft, die unser Mittelland dominieren.
Weshalb ein Forschungsprojekt «Auswirkungen des Bibers auf die Fischvielfalt – Fischwanderung durch Biberdämme»
Der Zeitpunkt für eine umfassende Untersuchung dieser und weiterer Fragen ist günstig. Einerseits nimmt die Biberpopulation im Mittelland vor allem in kleinen Gewässern, wo sie vermehrt Dämme bauen, weiter zu. Andererseits sind viele Fischpopulationen unter Druck, es fehlen wertvolle Strukturen und Lebensräume. Mit dem Klimawandel ist zukünftig mit mehr Trocken- und Hitzeperioden zu rechnen. Diese Extreme führen lokal und regional zu häufigeren und längeren Stressperioden bei den einheimischen Fischpopulationen, da die Wassertemperaturen temporär sehr stark ansteigen können. Die positiven Effekte der Biberstauungen für die Fische, aber auch für die gesamte aquatische Fauna und Flora, könnte für den Artenschutz ein sehr grosses Potenzial beinhalten, welches bei der Manipulation oder Entfernung von Biberdämmen im Rahmen des Bibermanagements jeweils verloren geht.
Die 2020 lancierte Studie «Auswirkungen des Bibers auf die Fischvielfalt – Fischwanderung durch Biberdämme» will Antworten auf diese für den Artenschutz relevante Frage finden. Mit dem Forschungsprojekt erhofft sich das BAFU wichtige Informationen für das Management sowohl des Bibers als auch der Fischpopulationen und eine Verbesserung der Lebensbedingungen und somit dem Tierwohl beider Gruppen: zeigt sich, dass auch in künstlichen oder wenig natürlichen Gewässern Biberdämme für den Aufstieg der Fische überhaupt nicht zwingend und überall ein Problem darstellen, müssen Biberdämme weniger oft zerstört werden, und die aquatische Fauna kann von den positiven ökologischen Auswirkungen des Bibers profitieren.