Biologie
Vielleicht sind Sie ihm schon einmal an einem Fluss begegnet, als heimliche Erscheinung, die das Wasser durchschneidet, oder als Baumeister, der sich auf seine Aufgabe konzentriert. Doch wie gut kennen Sie den Biber, der nachtaktiv und schwer zu beobachten ist, dessen Spuren aber alles andere als unauffällig sind?
Steckbrief
- Systematik: Säugetier; Nagetier
- Gewicht: 20 bis 30 kg
- Grösse: 80 bis 100 cm, Schwanz 20 bis 30 cm
- Alter: 10 bis 15 Jahre (in Gefangenschaft: über 20 Jahre)
- Familienleben: Monogam
- Paarungszeit: Januar bis März (paaren sich schwimmend im Wasser, Bauch an Bauch)
- Tragzeit: 105 bis 107 Tage
- Geburtsgewicht: 500-700 Gramm
- Wurfgrösse: 2 bis 4
- Anzahl Würfe pro Jahr: 1 (Ende April bis Ende Juni)
- Geschlechtsreife: Männchen: mit 18 Monaten ; Weibchen: mit 30 Monaten
- Gebiss: 20 Zähne; davon 4 Nagezähne, welche dauernd nachwachsen (1013/1013)
- Ernährung: rein vegetarisch
- Überwinterung: das ganze Jahr über aktiv
- Tauchleistung: Bei Gefahr kann ein Biber bis zu 15 min unter Wasser bleiben. Normal sind jedoch 2-3 min (Herzschlagfrequenz unter Wasser bis zu 20 % reduziert)
Haben Sie das Glück, bei einem Spaziergang am Ufer eines Gewässers einen Biber zu sehen? Das interessiert uns! Zögern Sie nicht, Ihre Beobachtung in wenigen einfachen Schritten über den unten stehenden Link zu melden.
Gebiss
Ein auffälliges Merkmal des Bibers sind seine vier für Nager typische grosse Nagezähne, die mit einer harten, orangen Schmelzschicht überzogen sind. Die Nagezähne haben eine offene Zahnwurzel und wachsen das ganze Leben lang nach. Die Backenzähne werden dagegen wie beim Menschen vom Milch- zum Zweiten Gebiss gewechselt.
Mit seinen Nagezähnen fällt der Biber jeden noch so harten Baum um an die Knospen und an die Rinde zu kommen. Mit dem Holz baut er seine Burgen und Dämme. Um unter Wasser nagen zu können besitzt der Biber eine Hautfalte, mit der er den Rachen vor Wasser oder Holzsplittern verschliessen kann.
Hände und Füsse
Auffällig sind die unterschiedlich ausgebildeten Vorder- und Hinterpfoten. Die Vorderpfoten sind "richtige Hände". Zwar besitzen die Biber keinen gegengelagerten Daumen wie wir Menschen. Diese Funktion übernimmt der kleine Finger (siehe Bild unten). Mit seinen Händen kann der Biber auch kleinste Stecklein geschickt halten. Die 5 Zehen sind mit starken Krallen versehen, mit denen sich der Biber durch praktisch jedes Erdreich graben kann um seine Erdbauten anzulegen.
Die Hinterfüsse sind viel grösser und kräftiger. Zwischen den Zehen der Hinterpfoten befinden sich Schwimmhäute. Die Hinterpfoten dienen dem Biber als Paddel beim Schwimmen. An der zweiten Zehe besitzt der Biber eine Doppelkralle. Diese dient ihm wie ein Kamm zur Pflege des Felles.
Beim Schwimmen legt der Biber seine Vorderbeine eng an den Körper und paddelt mit den Hinterbeinen. Der Schwanz dient dabei nur als Stabilisator. Von ausgewachsenen Bibern sieht man beim Schwimmen normalerweise nur den Kopf aus dem Wasser ragen. Dabei liegen alle Sinne direkt über der Wasseroberfläche.
Biberschwanz
Wohl auffallendstes Merkmal des Bibers ist sein platter Schwanz, «Kelle» genannt. Dieser besteht aus Horn, wie die menschlichen Fingernägel. Die Wirbelsäule führt im Innern des Schwanzes bis zur Schwanzspitze. Ausser der Wirbelsäule, Sehnen und Fett gibt es nichts unter der Hornschicht. Der Biber speichert im Schwanz aber Fett für den Winter.
Bei Gefahr schlägt der Biber mit seinem Schwanz aufs Wasser um die anderen Familienmitglieder zu warnen. Der Schwanz dient dem Biber ebenfalls als Ruder beim Schwimmen.
Die Körpertemperatur regelt der Biber jedoch nicht über den Schwanz, wie immer wieder behauptet wird. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Wärmeregulation vor allem über das weniger dichte Fell auf dem Rücken funktioniert.
Fell
Der Biber besitzt eines der dichtesten Felle im Tierreich, was typisch für Wasser bewohnende Arten ist. Am Bauch ist das Fell am dichtesten und zählt bis 23'000 Haare pro cm2. Oder noch eindrücklicher: macht man mit dem Kugelschreiber einen Punkt auf unsere Haut besitzt der Biber bis 300 Haare auf der Grösse dieser Fläche. Das Dichte Fell verhindert, dass Wasser bis auf die Haut durchdringt. Im Winter schützt eine bis zu 3 cm dicke Fettschicht den Biber vor Auskühlung im Wasser.
Die Analdrüse produziert eine Flüssigkeit, mit der der Biber sein Fell pflegt. Das Analdrüsensekret macht das Fell jedoch nicht wasserdicht. Dies wird alleine durch die Dichte der Unterwolle erreicht.
Die Biberlaus Platypsyllus castoris
Der Biber trägt einen besonderen Bewohner in seinem Fell: die augen- und flügellose Biberlaus (Platypsyllus castoris). Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Laus sondern um einen Käfer. Die Biberlaus lebt ausschliesslich auf den beiden Biberarten (Castor fiber und Castor canadensis) und hat sich in den letzten Millionen Jahren auf ihnen entwickelt.
Sinne
Sehen und Hören
Biber strecken beim Schwimmen nur ihren Kopf aus dem Wasser. Nase, Augen und Ohren liegen dabei auf einer Linie dicht über dem Wasser. Dadurch ist der Biber kaum sichtbar:Er hat jedoch alle wichtigen Sinne parat um Gefahren zu erkennen. Beim Tauchen verschliesst der Biber seine Ohren mit einer Hautfalte, damit kein Wasser eindringen kann. Hören kann er trotzdem unter Wasser. Auch unter Wasser kann der Biber sehen. Die Augen werden dabei durch eine Nickhaut geschützt.
Geruchsinn
Der Geruchsinn ist der am besten ausgeprägte Sinn des Bibers. Wozu? Zum einen um Gefahr auszuweichen. Riecht der Biber etwas Verdächtiges nimmt er sofort Witterung auf und taucht bei Gefahr sofort ab. Der Geruchsinn dient ihm aber auch um gute Nahrungsquellen wie Weiden oder Pappeln über mehrere hundert Meter zu finden.
Duftstoffe spielen bei der Kommunikation beim Biber eine zentrale Rolle. Mit dem Bibergeil markiert der Biber sein Revier und teilt familienfremden Tieren verschiedene Sachen mit wie z.B. ob das Revier besetzt oder frei ist.
Tastsinn
Der Tastsinn ist beim Biber ebenfalls sehr gut ausgebildet. An der Nase besitzt er bis zu 9 cm lange dicke Tasthaare. An den Pfoten dagegen sind sie kleiner und feiner. Die Tasthaare erlauben es dem Biber sich in völliger Dunkelheit und in trübem Wasser zu orientieren.
Ernährung
Ein Vegetarier durch und durch
Der Biber ist ein reiner Vegetarier. Er frisst also keinerlei tierische Nahrung, auch wenn er in älteren Büchern noch als Fischfresser dargestellt wird. Er ist in seiner Nahrungswahl sehr flexibel. Sein Speiseplan wird hauptsächlich von der Jahreszeit bestimmt. Im Sommer frisst er praktisch alle krautigen und verholzten Pflanzen, die im und am Wasser verfügbar sind. Über 300 verschiedene Pflanzenarten wurden schon festgestellt. Im Winter, wenn die Vegetation ruht, ernährt sich der Biber hauptsächlich von Rinde und Knospen von Sträuchern und Bäumen, mit Vorliebe Weichhölzer wie Weiden und Pappeln. Da der Biber nicht klettern kann, fällt er die Bäume kurzerhand. Dabei hinterlässt er die für den Biber typischen Fäll- und Frassplätze. Friert ein Gewässer im Winter regelmässig zu, legen Biber vor dem Eingang des Baus einen Wintervorrat an. Dieser kann mehrere Kubikmeter Volumen betragen.
Potente Helfer
Um die Pflanzenfasern und die Borke verdauen zu können besitzt der Biber eine spezielle Anpassung: sein Blinddarmsack hat ein riesiges Volumen und ist mit einem Bakterien-Cocktail ausgestattet. Die Nahrung geht in einer ersten Runde in den Blinddarmsack und wird von den Bakterien vorverdaut. Der Biber scheidet diesen weissen, proteinhaltigen Pflanzenbrei dann aus und frisst ihn erneut. In der zweiten Runde durch den Magendarmtrakt kann der Biber die lebensnotwendigen Inhalte herauslösen.
Familienleben und Fortpflanzung
Biber bleiben ein ganzes Leben lang mit demselben Partner zusammen. Die Weibchen erreichen die Geschlechtsreife mit 3 Jahren, die Männchen dagegen schon mit 18 Monaten. Biber paaren sich zwischen Januar und März Bauch an Bauch schwimmend im Wasser. Biber leben in einem engen Familienverband bestehend aus den Eltern und zwei Jungengenerationen.
Einmal im Jahr zwischen Mai und Juni und nach 105 bis 107 Tagen bringt das Weibchen 1-4 Junge zur Welt. Die Jungen wiegen 500 bis 700 Gramm. Die Jungen bleiben zwei Jahre in der Familie und werden stark umsorgt. Die Jungen bleiben die ersten paar Wochen noch im Bau. Sie können in den ersten Wochen noch nicht tauchen, da das Fell für mehr Auftrieb sorgt als ihr eigenes Gewicht. Deshalb kommt es immer wieder zu Todesfällen bei Hochwasser, wenn die Eltern die Jungen nicht rechtzeitig aus dem Bau evakuieren können.
Die Jungen trinken in den ersten 2 Monaten Milch. Bereits mit etwa 3 Wochen beginnen sie jedoch schon feste Nahrung zu sich zu nehmen. Dies ist erneut eine heikle Phase im Leben eines Jungbibers, weil sich das Verdauungssystem auf die pflanzliche Nahrung umstellen muss. Die ältere Jungen kümmern sich sorgfältig um ihren jüngeren Geschwister, aber wenn die dritte Jungengeneration zur Welt kommt, müssen die 2-jährigen Biber die Familie verlassen und ein eigenes Revier an einem freien Gewässerabschnitt suchen.
Im Durchschnitt leben 5 Biber in einer Familie. Die Reproduktionsrate ist aber von verschiedenen Faktoren wie z.B. dem Nahrungsangebot, dem Alter des Weibchens und der Populationsdichte abhängig. Die Biber markieren und verteidigen einen Gewässerabschnitt gegen Artgenossen. Die Grösse dieser Reviere hängt stark vom Nahrungsangebot ab und ist zwischen 0,5 und 7 km lang.
Biber sind nachtaktiv. In der Dämmerung verlassen sie den Bau und gehen auf Nahrungssuche im Revier. Während des Tages ist die ganze Familie im Bau und verschläft den Tag.
Erdbau und Burg
Biber graben mit ihren Vorderpfoten Erdbauten in die Uferböschung, wenn das Ufer grabbar und genügend hoch ist, damit sich darin der Wohnkessel anlegen lässt. Ist die Uferböschung nicht genügend hoch, stürzt das Dach ein und der Biber repariert es mit Ästen und Schlamm, es entsteht ein Mittelbau. Ist das Ufer flach baut der Biber aus Ästen eine Burg. Der Eingang zum Bau liegt immer geschützt unter Wasser. Nebst einem Hauptbau können Biber in ihrem Revier auch verschiedene Nebenbaue anlegen, die sie vor allem im Sommer nutzen, wenn weit entfernt vom Hauptbau eine ergiebige Nahrungsquelle liegt.
Die Unterscheidung eines Erdbaus in dem Biber leben und einer Fluchtröhre, die nur temporär als Versteck dient, ist nicht immer einfach. Oft findet man nur einen Eingang unter Wasser. Um mehr über die Unterscheidung zwischen einem besetzten und einem verlassenen Bau zu erfahren, können Sie auf den folgenden Link klicken.
Dämme
Biber benötigen eine Wassertiefe von ca. 60 cm, damit die Eingänge zu ihren Bauten unter Wasser liegen und damit sie sicher schwimmen und bei Gefahr abtauchen können. Ist die Gewässertiefe nicht ausreichend oder stark schwankend, reguliert der Biber das Gewässer mit einem Damm. Dieser kann von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern Höhe messen, je nach Umständen im Gewässer. Mit dem Dammbau vergrössert der Biber aber auch seinen Lebensraum und kann sich so weitere Nahrungsquellen zugänglich machen. Über die so entstehenden Teiche kann der Biber Material für Dämme, Burgen oder auch seine Nahrung einfacher befördern. Zudem verhindert eine grössere Wassertiefe auch, dass das Gewässer ganz und somit der Zugang zu den Nahrungsvorräten zufriert.
BBC-Film: Wie bauen Biber in 20 Tagen eine Burg?
BBC-Film : Wie bauen Biber Dämme ?
2010 haben Kanadische Biologen den grössten bekannten Biberdamm gefunden. Er misst 850 m in der Länge. GoogleMaps führt Sie direkt zum Damm. Einen ausführlichen Artikel von Jean Thie über den Biberdamm finden Sie hier.
Biberdämme können sich jedoch als problematisch erweisen. Um eine Interessenabwägung beim Management von Biberdämmen vorzunehmen, muss unter anderem der jeweilige Lebensraum genau analysiert werden, um die Funktion von Dämmen und Bauen richtig zu interpretieren.